Dies ist eine alte Version des Dokuments!


Serenadenkonzert 2007

[float]

[/float]

Dieses Orchester ist eine regionale Bereicherung

RAVENSBURG – Auf welch' hohem Niveau ein Laien-Orchester musizieren kann, unverkrampft, vernüglich, bewies das Oberschwäbische Kammerorchester unter Michael Wieder. Das Serenaden-Konzert im Innenhof des Klosters Weißenau ist ausverkauft.

Von Wolfram Frommlet

Wenn fast jedes Werk der Musikgeschichte inzwischen in Dutzenden von Einspielungen zum Preis einer mittleren Karte als CD erhältlich ist, wenn im Wohnzimmer Rattle und Abbado, Spitzenorchester von Cleveland bis Wien selbstverständliche Gäste sind, wird die Existenz eines Laien-Orchesters zunehmend schwieriger. Unbekanntere Werke spielen, weil der Vergleich mit den »Großen« für das Publikum dann nicht ohrenfällig ist? Sich an die »Klassiker« wagen, die den Hörgewohnheiten entsprechen, und sich potentiell daran verheben, weil man als Laie keine Chance hat gegen Rundfunksymphoniker, die in digitaler Perfektion zu empfangen sind?

Michael Wieder ist mit seinem Serenaden-Konzert eine überzeugende Mischung gelungen. Ermanno Wolf-Ferraris Frühwerk, die Serenade für Streicher Es-Dur, ist wenig gespielt und, gemessen an den späteren Opern, eine fast gefällig brave, spätromantische Komposition. Aber was er mit den Streichern des Oberschwäbischen Kammerorchesters daraus macht, ist verblüffend: eine erfrischend leichte, durchsichtige Form wird hörbar, kein romantisch breiter, ein zarter Schmelz, in kurzen Sforzati wird das »Brave« witzig, charmant, und das nur ahnungsvoll gestrichene Continuo der Celli ist dezenter von einem Profi-Orchester nicht zu hören.

Und dann die Herausforderung – Mozarts Sinfonia Concertante für Bläser-Quartett und Streichorchester. Ein raffiniertes, ein doppeltes Spiel, das Bläserquartett mit sich selbst und mit dem Orchester. Und dieses Spiel war in doppeltem Sinne höchst vergnüglich zu hören – mit müheloser Leichtigkeit die Streicher als geschmeidiger Dialogpartner für die Bläser, mal entschieden satt gestrichen im Adagio, und neckisch, herausfordernd im Finale, einem überbordend prallen Andantino, und parallel, das virtuos leichte Spiel der vier Solisten, »entliehen« der Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben: Petra Wieder (Fagott), Gisela Feifel-Vischi (Oboe), Christian Beemelmans (Horn), Alain Wozniak (Klarinette). Fast tänzerisch machten sie einander die Aufwartung, jeder Ton, jede melodiöse Nuance von makelloser Klarheit, die heitere Ernsthaftigkeit, die Tiefe in der Leichtigkeit Mozarts – ein Quartett von wundervoller Harmonie und hoher Sensibilität dem Orchester gegenüber. Dass in ihm fast ausschließich Laien spielen, konnte man getrost vergessen.

Nie verschwimmt die Dynamik

Auch mit Joseph Haydns Sinfonie Nr. 86 D-Dur machte Michael Wieder dieses Laien-Orchester, ergänzt durch Bläser der Kammerphilharmonie, zu einem dichten, sicheren Klangkörper. Rasch ist der etwas zögerliche Anfang des Adagio überwunden, jede der zahlreichen Themenvariierungen des komplexen zweiten Satzes ist zu hören, nie verschwimmt Haydns Dynamik, sein Reichtun an fein- und kleingliedrigen Instrumentierungen, die Tempi, die sich im Finale fast überschlagen – mit großem Atem hält dieses Orchester diese komplexe Sinfonie zusammen, geschmeidig, weich, einfühlsam von Michael Wieder dirigiert, der eine überzeugende Ensembleleistung geschafft hat, seine Musiker fördernd und fordernd, aber (dies ist oft der heikle Punkt bei Laien) sie nie überfordernd. Ein sommerlicher musikalischer Hochgenuss.


Schwäbische Zeitung vom 18.7.2007